Anna Hanika

Widerstandskämpferin

* 1903    † 1988

 

Herkunft

Anna Hanika wurde am 27. Juni 1903 in Wien als jüngstes Kind von Therese und Karl Hanika geboren. Ihr Bruder Anton war 18, ihre Schwester Johanna 12 Jahre alt, als Anna zur Welt kam. Ihre Mutter war zum Zeitpunkt der Geburt ihres jüngsten Kindes 48 Jahre alt.

Schule, Tod des Vaters, Tätigkeit als Kontoristin, Kontakte mit Mitgliedern späterer Widerstandsgruppen

Als Anna 6 Jahre alt war, starb ihr Vater. Anna wurde nur der Besuch der Pflichtschule erlaubt. Das hatte mit der Überfürsorge ihrer Mutter und ihres Bruders zu tun. Nach dem ersten Weltkrieg trat Annas Schwester Johanna in den Orden der Karmelitinnen vom göttlichen Herzen Jesu ein. Die Ersparnisse der Familie hatten nach dem Krieg keinen Wert mehr. Anna versorgte ihre Mutter alleine. Dies war durch ihre Arbeit als Kontoristin in der kleinen christlich-sozialen Gewerkschaft der Gemeindebediensteten möglich. Dort geriet sie mit Beamten und Mitgliedern von späteren Widerstandsgruppen in Kontakt, die von Dr. Jakob Kastelic, Dr. Karl Lederer und Prof. Roman Scholz geleitet werden würden. Im Jahre 1938 folgte ihre Entlassung aus der Gewerkschaft. Sie fand eine neue Stelle bei einer deutschen Kugellagerfirma.

Verlobung mit Rudolf Wallner, im Widerstand für die "Großösterreichische Freiheitsbewegung"

Annas Verlobter Rudolf Wallner, seines Zeichens Vizeinspektor der Wiener Elektrizitätswerke, holte sie Ende 1939 in die katholisch-konservative Widerstandsgruppe um Dr. Karl Lederer. Als überzeugte Katholikin wirkte sie für die “Großösterreichische Freiheitsbewegung”, indem sie neue Mitstreiter warb und für die Zahlung der Mitgliedsbeiträge zuständig war.

Verhaftung, Untersuchungshaft, Tod der Mutter, Hinrichtungen ihres Verlobten und Dr. Jakob Kastelic

Der Schauspieler Otto Hartmann agierte als Spitzel. Er ermöglichte es der Gestapo, die nunmehr zusammengeschlossenen Widerstandsgruppen Scholz, Lederer und Kastelic aufzurollen. Im Juli 1940 erfolgten die Verhaftungen. Einen Monat später wurde Anna Hanika gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Gruppe Lederer wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt. Anna Hanika geriet in Untersuchungshaft. Während der Haft starb ihre Mutter, die Anna durch lange Jahre intensiv gepflegt hatte. Sie war schwer krank gewesen.

Anna Hanika erfuhr von der Inhaftierung von Dr. Jakob Kastelic, dem frühen Tod seiner Gattin und dem Schicksal der beiden Söhne Gerhard und Norbert. Jakob Kastelic wurde am 2. August 1944 hingerichtet. Am 10. Mai desselben Jahres war das Todesurteil an ihrem Verlobten Rudolf Wallner vollstreckt worden.

Entlassung aus der Haft, Anna Hanika übernimmt die Mutterstelle für Gerhard Kastelic

Anna Hanika wurde am 10. März 1943 aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Das gegen sie am 3. März 1944 verhängte Urteil von zwei Jahren Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat hatte für Anna keine Konsequenzen mehr. Ihre Strafe galt durch die Untersuchungshaft als verbüßt.

Gleich nach ihrer Haftentlassung erklärte sich Anna Hanika bereit den jüngeren Sohn des Ehepaares Kastelic, Gerhard, zu sich zu nehmen. Sie übernahm für den Buben die Mutterstelle.

Anna Hanika an Dr. Jakob Kastelic, v. 14.4.1942 (Auszug)

"Lieber Herr Dr. Kastelic! Vor allem die herzlichsten Grüße aus der lieben Heimat und hoffe, dass Sie gesund sind. Am 12.4. überreichte uns Ihre herzensgute Schwester Ihren letzten Brief und unsere Freude können Sie sich, Herr Dr., gar nicht vorstellen, dass Ihnen mein Schreiben Freude bereitet hat. War es doch lange schon mein sehnlichster Wunsch, Ihnen mit meinen wenigen Zeilen Ihre trüben Stunden etwas zu erhellen. Lieber Herr Dr. Kastelic, seit meinem letzten Brief sind Ihre zwei lieben Büblein wieder ein großes Stück gewachsen, und Gerhard, der kleine Wicht, kraxelt schon allein auf den Sessel. Verstehen tut Gerhard alles, was gesprochen wird, aber mit dem Reden geht es noch langsam. Aber das wundert mich gar nicht, denn dieser kleine Wicht nimmt sich doch gar keine Zeit, so eilig hat er es immer. Wenn ich am Sonntag einen Sprung zu Ihrem lieben Mutterl mache, kommt Gerhard schon gelaufen und zeigt mit seinem Handerl auf den Sessel, d.h. ich soll mich wieder setzen und schon kommen Bilderbücher zum Ansehen, oder Hampelmännchen tanzen lassen, und wenn er sie aufhalten kann, dass sie umfallen, dann ertönt ein herzhaftes Lachen aus der kleinen Kinderseele. Auf eines freuen wir uns schon, dass wir den langen und kalten Winter überstanden haben und dem Frühjahr entgegen gehen, wo Anna wieder mit ihren zwei Schützlingen in den Garten kommt."

Anna Hanika an Dr. Jakob Kastelic, v. 20.9.1943 (Auszug)

"Sehr geehrter Herr Doktor! Weil Ihre liebe Schwester derzeit mit Arbeit überbürdet ist, berichte ich Ihnen alles, was sich in der letzten Zeit ereignet hat. Es ist neben viel Schönem besonders über Gerli, weil er wirklich ein goldiges und sonniges Kind ist, auch Unangenehmes zu erzählen, das aber mit Gottes Hilfe bereits wieder überwunden ist. Sonntag, den 12. d.M. kam ich vormittags mit Gerli zur Großmutter und fand sie etwas unpässlich. Die Hitze und vielleicht auch die Sorgen, die die heutige Zeit ja so reichlich bringt, haben ihren Körper und ihr Herz etwas geschwächt. Weil deshalb Tante Anny kochen musste, ging ich mit Ihren beiden Lieblingen mit vielen, vielen Blumen zum Grab Ihrer lieben Frau, auch zu dem der Großmutter. Wir beteten für die lieben Toten und der Abschluss jedes Gebetes der Kinder ist: "Lieber Himmelvater, liebe Himmelsmutter gib, dass mein Papa bald zurückkommt!" Ich musste den Kindern erklären, dass der Körper ihrer Mama hier im Friedhof schläft, ihre Seele aber beim Himmelvater ist und daher ihre Mama an sie denkt und sie recht lieb hat, und sie ihrer Mama Freude machen, wenn sie recht brav und folgsam sind. Dies hat die Kinder sichtlich froh gemacht, und am Heimweg sprangen sie um die Wette."

Zeugin im Prozess gegen Otto Hartmann, Vormundschaft für Gerhard und Norbert Kastelic

Anna Hanika übernahm gemeinsam mit einigen Freunden im Oktober 1945 am Anatomischen Institut die verstümmelten Körper ihrer hingerichteten Mitkämpfer zu identifizieren, und für würdige Begräbnisse zu sorgen.

1947 war sie Zeugin im Prozess gegen Otto Hartmann.

1954 übernahm Anna Hanika nach dem Tod der Schwester von Dr. Jakob Kastelic die Vormundschaft für Gerhard und Norbert Kastelic. Sie kümmerte sich mit ganzem Herzen um die beiden und ermöglichten ihnen den Besuch des Kollegium Kalksburg. Gerhard und Norbert Kastelic studierten schließlich und promoviert jeweils zum Dr. jur.

Dokumente

Soziales Engagement, letztes Lebensjahr im Altersheim der Barmherzigen Schwestern

Anna Hanika war für die vier Kinder ihrer beiden Pflegekinder Norbert und Gerhard die Großmutter. Stets war sie sozial engagiert und wandte sich an Dr. Walter Mazari, einem auch als Arzt tätigen Missionar in Afrika, dem sie unglaubliche 306 Pakete mit Medikamenten überantwortete, die sie in ihrem unermüdlichen Einsatz gesammelt hatte.

Schon seit ihrer Kindheit war sie schwer herzkrank gewesen. Doch die prognostizierte kurze Lebenserwartung bestätigte sich glücklicherweise nicht. Zu Ostern 1987 begab sich Anna Hanika zu einer Kontrolluntersuchung ins Spital. Ihre fortschreitende Krankheit machte es unmöglich, dass sie den Haushalt in ihrer eigenen Wohnung weiterführen konnte. Sie verbrachte ihr letztes Lebensjahr im Altersheim der Barmherzigen Schwestern in Wien, wo sie angesichts ihrer schweren Krankheit und Pflegebedürftigkeit bestens betreut wurde.

Tod

Anna Hanika verstarb am 14. März 1988.

Dr. Gerhard Kastelic über Anna Hanika

Artikel aus der Zeitzeugen-Serie der "Wiener Zeitung", erschienen am 5.1.2019.

Das Familiengrab am Pfarrfriedhof Penzing

Weblinks und Quelle

Wikipedia
ein biografiA-Modul-Projekt "Österreichische Frauen im Widerstand"
“Anna Hanika - ein Frauenleben im Schatten des Fallbeils” (“Das Leben des Dr. Jakob Kastelic”, von Stephan Kastelic - Norka Verlag Dr. Norbert Kastelic)
Lisl Rizy, Willi Weinert (Hg.): "Mein Kopf wird euch auch nicht retten", Band 2

Wir erinnern uns

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